“Es gibt viele digitale Bilderrahmen, aber das hier ist meiner.”
Ich habe einen digitalen Bilderrahmen gebaut, zuerst mehr aus Verlegenheit, dann als Geschenk für meine Frau Mama. Weil ich mir nur wenig Mühe damit machen mochte, ist das effektiv fast alles mit Bordmitteln/Off-the-Shelf-Komponenten erzielt.
Vorgeschichte
Das Gerät ist ein 2015er Microsoft Surface 3 (nicht pro) in der Ausführung mit 4 GB RAM/128 GB EMMC-Speicher und einer Dockingstation. Es wurde vor ein paar Jahren von der Vorbesitzerin/edlen Spenderin zum vollen Preis gekauft. Leider hat es inzwischen einen defekten Anschluss an der Ladebuchse, so dass es nur noch über die Dockingstation geladen werden kann. Nach einem missglückten Windows-Update bei dem sich sein Secure Boot zerlegt hat, wollte es am Ende nun gar nicht mehr starten bzw. zeigte nur noch die Aufforderung für die Eingabe des Bootlocker-Wiederherstellungskey an.
Nachdem es von mir vor dem Elektroschrott gerettet wurde, habe ich zum testen einmal Windows neu installiert, das funktionierte ohne Probleme. Weil es aber schon mit dem aktuellen Windows 10 schwer zu tun hatte und auch weil es aus offensichtlichen Gründen kein Windows 11 mehr bekommen würde, wollte die Vorbesitzerin es trotzdem nicht wieder zurück.
Recycling
Da auch ich für ein schwachbrüstiges, zehn Jahre altes Windows-Tablet keine wirkliche Verwendung hatte, habe ich beschlossen, einen digitalen Bilderrahmen daraus zu machen.
Erste Tests mit Debian 12 zeigten, dass wohl die meiste Hardware out-of-the-box unter Linux funktioniert. Das Linux Surface-Projekt hatte einiges an Doku, war aber leider für dieses konkrete Gerät nicht so wirklich nützlich: der in den dortigen Repos enthaltene Treiber für den Touchscreen ist fehlerhaft und stürzt reproduzierbar nach wenigen Minuten ab, alle anderen Komponenten sind auch schon im Vanilla-Debian unterstützt. Ein weiterer Test mit Kubuntu 24.04 zeigte bessere Ergebnisse: vermutlich aufgrund des neueren Kernels wird von dieser Distro auch der Touchscreen ohne basteln unterstützt.
Einrichtung
Kubuntu hatte by default keine on-screen Tastatur, in den Repos gibt es aber eine Accessibility-Software namens OnBoard zum nachinstallieren. Der einfachste Weg, OnBoard dauerhaft verfügbar zu haben, ist es einfach in den KDE-Einstellungen in den Autostart zu tun. Bei der Gelegenheit kann man auch gleich einstellen, dass der Nutzeraccount automatisch ohne Passwortabfrage eingeloggt werden soll, damit Kubuntu sofort auf den Desktop bootet.
Für den Einsatz als Bilderrahmen habe ich das Tablet über die Leistungseinstellungen von KDE so eingestellt, dass das Display immer an bleibt, der Prozessor aber im “Energie sparen”-Modus läuft.
Nach fünf Minuten geht der Bildschirmschoner an und sperrt das Gerät. Als Bildschirmschoner ist eine ebenfalls by default vorhandene Funktion eingestellt, die zufällig alle 15 Minuten ein anderes Bild aus einem gewählten Ordner auswählt und anzeigt. Wenn es für einen besonderen Anlass einmal andere Bilder sein sollen, kann man auch ganz schlicht den Bilderviewer gwenview von Hand auf einen Ordner zeigen lassen und auf Slideshow schalten.
Die anzuzeigenden Bilder werden über Nextcloud eingespielt. Um Strom und Aufwand zu sparen, erfolgt die Synchronisierung mit rclone, welches einmal pro Stunde über einen cronjob läuft. Ebenfalls über einen cronjob gesteuert schaltet sich das Tablet jede Nacht um 1 Uhr morgens automatisch aus.
Fazit
Man kann sich wohl mehr Mühe damit machen, und noch mehr Features aus seinem digitalen Bilderrahmen herausholen. Für meine Zwecke ist der Stand so wie beschrieben aber schon völlig ausreichend: die Bilder können bequem von überall aus verwaltet werden, der Screensaver zeigt ein Bild und die Uhrzeit an, und das ganze System ist vollständig open source.
Links:
Surface Linux: https://github.com/linux-surface
Onboard: https://wiki.ubuntuusers.de/Barrierefreiheit/onBoard/
Rclone: https://rclone.org/
Nextcloud: https://nextcloud.com/